Entstehung und Geschichte des Gemeindefreien Bezirks Lohheide

Für die Neuaufbereitung dieses Textes bedanken wir uns bei Magnific Media GmbH.

Der Gemeindefreie Bezirk Lohheide liegt im Nordwesten des Landkreises Celle im Südteil der Lüneburger Heide. Die Entstehung des Gemeindefreien Bezirks Lohheide geht auf das Jahr 1935 zurück. Damals benötigte man einen Truppenübungsplatz für die deutsche Wehrmacht und begann ca. 30.000 Hektar Fläche zu erwerben. Zeitgleich erfolgte die Auflösung von 24 Gemeinden, darunter die Ortschaften Hoppenstedt, Hörsten, Hohne, Hohnerode, Hasselhorst, Manhorn, Bredebeck, Lohe und Gudehausen. Die Bewohner der betroffenen Gemeinden (etwa 3.650 Menschen) wurden umgesiedelt, Bauernhöfe und andere Gebäude am Rande des Übungsplatzes wurden für die Unterbringung von Platzbediensteten verwendet. Außerdem entstanden hier (vor allem am Ostrand des Geländes, bei den Ortschaften Belsen und Hohne) Kasernengebäude, Depots, Pferdeställe, ein Lazarett und eine Heeresmunitionsanlage für Infanteriemunition. 1936 bezogen die ersten Truppen ihr Quartier. Es war jedoch noch längere Zeit unklar, wer für die Verwaltung des Gebietes zuständig sein sollte.

Erst am 01. August 1938 gab es eine Entscheidung über die zukünftige Verwaltung des Truppenübungsplatzes: Es wurde der „Gutsbezirk Platz Bergen“ gegründet und in den Landkreis Fallingbostel eingegliedert, die Verwaltung des Gutsbezirks unterlag der Verordnung über gemeindefreie Grundstücke und Gutsbezirke vom 15. November 1938.

Der zweite Weltkrieg im Gemeindefreien Bezirk Lohheide

Nach Beginn des zweiten Weltkrieges wurde am Rande des Übungsplatzes ein Lager für französische und belgische Kriegsgefangene eingerichtet. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion (das „Unternehmen Barbarossa“ am 22. Juni 1941) wurden auch tausende sowjetische Gefangene ins Lager gebracht. Neben dem Stammlager (Stalag XI C) in Bergen-Belsen entstanden noch 2 weitere sogenannte „Russenlager“ in den nahe gelegenen Ortschaften Oerbke und Wietzendorf. Im Zeitraum zwischen Juli 1941 und April 1942 starben mehr als 14.000 sowjetische Kriegsgefangene am Gelände des Truppenübungsplatzes in Lohheide, vor allem durch Hunger, Kälte und Seuchen. Die Versorgung der Gefangenen war unzureichend, die hygienischen Bedingungen katastrophal.

Im Juli 1941 trafen die ersten Transporte aus der Sowjetunion im Lager ein, bereits im August breitete sich die Ruhr unter den Gefangenen aus. Im November kam noch Fleckfieber dazu. Da Unterkunftsbaracken für so viele Gefangene fehlten, mussten die Häftlinge auf freiem Feld, in Erdlöchern oder Laubhütten schlafen, wodurch sie den Winter in vielen Fällen nicht überlebten.

Im April 1943 wurde das Lager von der SS übernommen und für jüdische Gefangene umgewidmet. In den darauffolgenden Monaten änderte sich leider der Charakter des Lagers und das KZ Bergen-Belsen entstand. Über 50.000 KZ-Häftlinge ließen im Lager Bergen-Belsen ihr Leben. Auch Anne Frank (Autorin der Autobiografie „Das Tagebuch der Anne Frank“) war im Konzentrationslager Bergen-Belsen inhaftiert.

Italienische und polnische Gefangene wurden ab 1943 ebenfalls in die Lager im Gemeindefreien Bezirk Lohheide gebracht, darunter auch sehr viele Frauen. Sie galten als „Aufständische“, da sie sich gegen das deutsche Regime zur Wehr gesetzt hatten.

Was bedeutete das Ende des zweiten Weltkrieges für Lohheide

Nach Ende des zweiten Weltkrieges wurde der Truppenübungsplatz von den britischen Streitkräften übernommen. Das Konzentrationslager wurde befreit. Die britischen Truppen waren auf das Ausmaß des Grauens, das sie am Lagergelände vorfanden, nicht annähernd vorbereitet. Für viele Häftlinge kam jede Hilfe zu spät. Das SS-Personal wurde von den Briten entwaffnet und musste unter anderem am Lagergelände Massengräber ausheben und Leichen darin bestatten. Viele Baracken wurden wegen der katastrophalen hygienischen Zustände und der davon ausgehenden Gefahr der Seuchenverbreitung (Fleckfieber und Typhus war in den Lagern ausgebrochen) von den Briten einfach niedergebrannt.

Am 1.11.1945 wurde der Gutsbezirk Platz Bergen in zwei selbständige Bereiche aufgespalten, die Bezirke Osterheide und Lohheide, wobei Osterheide dem Landkreis Fallingbostel und Lohheide dem Landkreis Celle zugeordnet wurde. Es erfolgte eine Rückbesiedelung der einst geräumten Ortschaften, Vertriebene von damals wurden zur pachtweisen landwirtschaftlichen Nutzung der teilweise stark zerstörten Gehöfte eingesetzt und so ermächtigt, sich eine Existenz aufzubauen. Andere wurden in Baracken und anderen mehr oder weniger gut erhaltenen Gebäuden untergebracht. Selbst in den Baracken des ehemaligen KZ Bergen-Belsen waren Flüchtlinge untergebracht, diese Barackensiedlung trug den Namen Neu-Hohne.

Nachdem der Truppenübungsplatz (ab 1958 als „NATO-Schießplatz Bergen-Hohne“ bezeichnet) ab 1951 jedoch zunehmend militärisch beansprucht wurde, mussten die im Inneren des Platzes liegenden und wieder besiedelten Ortschaften neuerlich geräumt werden.

Ab 1957 war auch die Bundeswehr ermächtigt den Truppenübungsplatz zu nutzen, wenn auch vorerst noch unter britischer Kommandatur.

Im April 1958 wurde der Platz von der Britischen Armee an die Bundeswehr übergeben – diese machte ihn zu einem Ausbildungszentrum für NATO Bodentruppen in Deutschland.

Am 01. August 1958 wurde der Gutsbezirk Lohheide aufgrund der Verordnung über die Verwaltung gemeindefreier Gebiete zum „Gemeindefreien Bezirk Lohheide“ erklärt. Seit diesem Tag sind Verfassung und Verwaltung des Bezirks nicht geändert worden und verfügen immer noch über die Rechtsgrundlage von 1958.

Während des Kalten Krieges wurde der Truppenübungsplatz intensiv genutzt. Grund dafür war die hohe Truppenkonzentration in der Norddeutschen Tiefebene. Nach Ende des Kalten Krieges wurde die Zahl der dort stationierten Truppen stark reduziert, jedoch ist die Anlage immer noch von großer Bedeutung für die Bundeswehr und die NATO. Die Britische Armee zog erst 2015 ihre letzten stationierten Soldaten ab.

Dem Gemeindefreien Bezirk Lohheide wird also der Teil des Truppenübungsplatzes Bergen (heute mit 24.900 Hektar einer der größten Übungsplätze Westeuropas) zugeordnet, der im Landkreis Celle liegt. Als Platzverwalter fungiert die Bundeswehr, welche gemeinsam mit den verantwortlichen Stellen auch den Schutz und die Erhaltung von Natur und Landschaft zu ihren Aufgaben zählt.

Im Gemeindefreien Bezirk Lohheide, der eine Größe von 9.131 Hektar hat, gibt es heute 9 bewohnte Ortsteile mit knapp 1500 Einwohnern,. Unter diesen zählen Bergen-Belsen, Bergen-Hohne, Bredebeck, Hartmannshausen, Gudehausen, Hasselhorst, Hoppenstedt, Hörsten, und Vor dem Holze. Die Mehrzahl lebt im Ortsteil Hasselhorst und verdient ihren Lebensunterhalt auf dem Truppenübungsplatz. Hasselhorst ist auch der zivile Mittelpunkt des Bezirks und verfügt über eine Kirche und die Verwaltungsgebäude des gemeindefreien Bezirks, sowie ein Forstamt und 3 Forstreviere, die sich um den Wald und seine Bewohner im militärischen Sperrbezirk kümmern. Durch das Fehlen der Zivilbevölkerung (Spaziergänger, Radfahrer, etc) weist der Truppenübungsplatz eine hohe Dichte an Wildtierbeständen auf. Dies führt zu großen Verbissschäden in den bewaldeten Bereichen – durch Abschusspläne und gezielte Jagd versucht man dem entgegen zu wirken. Die Jäger dürfen sich zu Ruhezeiten der übenden Truppen auch im Bereich der Schießbahnen aufhalten. Es liegt allerdings in ihrer eigenen Verantwortung nicht auf einen Blindgänger zu treten.

In den zivil bewohnten Bereichen von Lohheide sind heute alle Annehmlichkeiten des „normalen“ Lebens verfügbar: Verwaltungsgebäude, Bücherei, Kindergarten, Freiwillige Feuerwehr, Beleuchtungs- und Entwässerungsanlagen, Kläranlage, Wasserversorgung, Sport- und Erholungsanlagen, etc. Auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Bergen-Belsen ist eine Gedenkstätte zu finden, die die schrecklichen Geschehnisse von damals eindrucksvoll dokumentiert. Teile des Truppenübungsplatzes werden einmal jährlich für eine Radveranstaltung freigegeben. Es existieren 3 verschiedene Fahrradstrecken sowie eine Inline-Skater-Strecke. Hasselhorst und Oerbke sind Start und Ziel für diese Veranstaltung.

Seit 2011 ist der Truppenübungsplatz im Besitz der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Der Grund, warum die Ortschaften im Gebiet Lohheide nicht in die kommunale Ordnung integriert wurden, sind die enormen Belastungen, die der Truppenübungsplatz im Gemeindegebiet mit sich bringen würde:

  • Keine Möglichkeit der Gewerbeansiedlung
  • Einschränkung der gemeindlichen Planungshoheit
  • Entfall der Grundsteuer

Eine herkömmliche Gemeinde könnte diesen Belastungen wirtschaftlich nicht standhalten. In Deutschland existieren insgesamt 232 gemeindefreie Gebiete, nur zwei davon sind bewohnt: Osterheide und Lohheide. Im Gemeindefreien Bezirk Lohheide gibt es einen Bezirksvorsteher, der durch die Einwohnervertretung gewählt wird. Der Bezirksvorsteher leitet die Gemeindeverwaltung – die Einwohnervertretung ist das Äquivalent für den Gemeinderat.